ᐅ Betriebsbedingte Kündigung - Sozialauswahl: Definition, Begriff und Erklärung im JuraForum.de (2025)

Inhaltsverzeichnis

  • Betriebsbedingte Kündigung – Sozialauswahl
  • Vier gleichwertige Kriterien
  • Punktesystem für die Sozialauswahl
  • Sozialauswahl - Beispiel
  • Fehlerhafte Sozialauswahl
  • Häufige Fragen zur betriebsbedingten Kündigung und Sozialauswahl
  • Was ist eine betriebsbedingte Kündigung?
  • Was ist die Sozialauswahl?
  • Welche Kriterien werden bei der Sozialauswahl berücksichtigt?
  • Wie wird die Sozialauswahl durchgeführt?
  • Welche Rolle spielt der Betriebsrat bei der Sozialauswahl?

ᐅ Betriebsbedingte Kündigung - Sozialauswahl: Definition, Begriff und Erklärung im JuraForum.de (1)
Betriebsbedingte Kündigung mit Sozialauswahl. (© © DOC RABE Media/ Fotolia.com)

Muss ein Arbeitgeber aus betriebsbedingten Gründen Mitarbeiter entlassen, so unterliegen diese Entlassungen bestimmten Bedingungen. Der Arbeitgeber ist zu einer Auswahl aus sozialen Gesichtspunkten (sog. Sozialauswahl) verpflichtet, welche sowohl bei der Kündigung einzelner Arbeitnehmer als auch bei sogenannten „Massenentlassungen“ zu treffen ist.

Betriebsbedingte Kündigung – Sozialauswahl

Es ist zu beachten, dass bei Kleinbetrieben mit 10 oder weniger Mitarbeitern kein Kündigungsschutz besteht. Diese gesetzliche Regelung gemäß § 23 Abs. 1 KSchG gilt auch für Unternehmer, die mehrere Kleinbetriebe unterhalten [BArbG, 28.10.2010. 2 AZR 392/08].

Die Sozialauswahl ist gesetzlich in § 1 KSchG geregelt. Demnach ist eine Kündigung eines Arbeitnehmers, welcher mehr als sechs Monate in demselben Betrieb gearbeitet hat, rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. In der Praxis bedeutet dies für den Arbeitgeber, dass er nicht willkürlich Entlassungen vornehmen kann. Er ist nicht dazu berechtigt, leistungsschwache oder ihm unsympathische Arbeitnehmer zu entlassen, sondern muss deren „soziale Schutzbedürftigkeit“ überprüfen, wenn mehrere Arbeitnehmer für eine betriebsbedingte Kündigung infrage kommen.

Besondere Beachtung verdient § 1 Abs. 3 KSchG:

„Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.“

Dementsprechend brauchen Mitarbeiter nicht mit in die Sozialauswahl einbezogen zu werden, deren Weiterbeschäftigung von erheblichem betrieblichen Interesse ist [BArbG, 07.12.2006, 2 AZR 148/05]. Dies bedeutet aber nicht, dass es Arbeitgebern gestattet ist, Mitarbeiter mit hohen krankheitsbedingten Fehlzeiten bei betriebsbedingten Kündigungen zu benachteiligen [BArbG, 31.05.2007, 2 AZR 306/06].

Vier gleichwertige Kriterien

Bis zum 01.01.2004 bestanden keine allgemeingültigen Kriterien, nach denen die Sozialauswahl getroffen wurde. Erst mit der gesetzlichen Neureglung wurden diese Kriterien allgemeingültig festgelegt, wobei alle gleich wichtig sind.

Demnach sind für die Sozialauswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung folgende vier Kriterien zu beachten:

  • Lebensalter des Mitarbeiters;
  • Dauer der Betriebszugehörigkeit;
  • Unterhaltspflichten;
  • Schwerbehinderung.

Die Regelung bezüglich des Lebensalters der Beschäftigten dient dem Zweck, ältere Arbeitnehmer zu schützen, da es diese auf dem Arbeitsmarkt schwerer haben werden, erneut eine Anstellung zu finden.

Bei der Sozialauswahl dürfen aber Altersgruppen gebildet werden (beispielsweise solche, die jeweils bis zu zehn Jahrgänge erfassen; - 25-jährige, 26- bis 35-Jährige, 36- bis 45-Jährige,…) [BArbG, 06.11.2008, 2 AZR 701/07]. Diese Sozialauswahl ist nicht als Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung anzusehen und darf auch innerhalb von Altersgruppen zur Sicherung ausgewogener Altersstrukturen vorgenommen werden [BArbG, 15.12.2011, 2 AZR 42/10].

Die Betriebszugehörigkeit eines Arbeitnehmers ist zwar für die Sozialauswahl von Bedeutung, schließt aber auch bei einem langjährigen Arbeitsverhältnis eine Kündigung nicht aus. Sind die Gründe für diese Kündigung gerechtfertigt, so dürfen auch langjährige Mitarbeiter entlassen werden [LArbG Schleswig-Holstein, 09.09.2009, 3 Sa 153/09].

Als Unterhaltspflichten werden die gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber Ehepartnern und Kindern angesehen; gegebenenfalls auch gegenüber Eltern, Großeltern und Enkeln. Dabei ist allerdings zu beachten, dass Unterhaltsverpflichtungen nur in jenen Fällen relevant sind, die zum Zeitpunkt der Kündigung bereits bestehen und bei denen abzusehen ist, dass sie noch für einen längeren Zeitraum bestehen werden (etwa bei kleinen Kindern).

Mitarbeiter, die gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX als schwerbehindert gelten, unterliegen einem besonderen Schutz, auch im arbeitsrechtlichen Bereich. Sie dürfen nur in den für die Sozialauswahl relevanten Kreis eingefügt werden, wenn das zuständige Integrationsamt seine Zustimmung zu einer Kündigung gegeben hat. In Fällen, im denen eine Behinderung nicht erkennbar ist, sollte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer fragen, ob dieser einen Bescheid über eine Schwerbehinderung erhalten hat. Auch sollte er sich erkundigen, ob der Mitarbeiter einen Antrag auf Gleichstellung gestellt beziehungsweise einen diesbezüglichen Bescheid erhalten hat, denn im Zusammenhang mit der Sozialauswahl gelten für gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX gleichgestellte Mitarbeiter dieselben Regelungen wie für Schwerbehinderte. Zu beachten ist, dass derartige Fragen seitens des Arbeitsgebers rechtens sind und von dem betreffenden Mitarbeiter wahrheitsgemäß beantwortet werden sollten, denn wenn dieser eine bestehende Schwerbehinderung verneint, kann er sich nach einer Kündigung nicht mehr auf den Kündigungsschutz berufen [BArbG, 16.02.2012, 6 AZR 553/10].

Erwähnenswert ist, dass es keinesfalls verboten ist, weitere Kriterien für die Sozialauswahl hinzuzuziehen. Allerdings muss dabei beachtet werden, dass die Pflicht zur „ausreichenden Berücksichtigung“ der vier oben genannten Kriterien gegeben ist; somit bleibt für alle anderen etwaigen Kriterien kaum noch eine relevante Bedeutung über.

Punktesystem für die Sozialauswahl

Alle vier Kriterien für die Sozialauswahl sind gleichwertig bedeutend, wobei einzelne Arbeitsgerichte die Wertigkeit unterschiedlich beurteilen:

So stellt das Landesarbeitsgericht Düsseldorf beispielsweise die Betriebszugehörigkeit über alle anderen Kriterien [LArbG Düsseldorf, 25.08.2004, 3 Sa 1104/04].

In der Regel ist es aber so, dass die vier Kriterien als gleichwertig behandelt und nach einem Punktsystem bewertet werden. Dieses Punktesystem ist allerdings ein wenig strittig, da diesbezüglich keine allgemeingültigen Regelungen bestehen. Es ist von daher empfehlenswert, derartige Regelungen bereits in der Betriebsvereinbarung festzulegen; so entstehen im Falle einer notwendigen Sozialauswahl keinerlei Probleme bei der Berechnung der Punkte.

Eine weitere Möglichkeit für den Arbeitgeber, etwaige Streitigkeiten mit den Arbeitnehmern zu vermeiden, ist die Erstellung einer Auswahlrichtlinie gemäß § 95 BetrVG, mit deren Hilfe die Auswahlkriterien der Sozialauswahl sowie deren Gewichtigkeit geregelt werden kann.

Hat der Arbeitgeber festgestellt, welcher Arbeitnehmer am wenigsten schutzwürdig ist, kann er diesem kündigen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine Sozialauswahl in drei Schritten zu treffen ist:

  1. Ermittlung, welche Arbeitnehmer in die Sozialauswahl einzubeziehen sind;
  2. Feststellung, welch(r) Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl herausgenommen werden kann;
  3. Prüfung, welcher Arbeitnehmer am wenigsten schutzwürdig ist.

Sozialauswahl - Beispiel

1. Wegfall des Arbeitsplatzes durch außerbetriebliche (Auftragsrückgang) oder innerbetriebliche Gründe (Umstrukturierung)

2. Ist ein besonderer Kündigungsschutz vorhanden?

  • Schwerbehindert, Gleichgestellt, §§ 168 ff SGB IX;
  • Arbeitnehmer tarifvertraglich unkündbar;
  • Betriebsrat-Mitglieder, §§ 15 KSchG, 103 BetrVG;
  • Schwangerschaft, § 17 MuSchG;
  • Arbeitnehmer in Elternzeit, § 18 BEEG;
  • Auszubildender, § 22 BBiG (Auszubildender).

In dem Falle könnten die Arbeitnehmer ggf. aus der Sozialauswahl herausgenommen werden, wenn z.B. die Zustimmung der Behörden zur Kündigung versagt oder gesetzlich nicht erlaubt ist.

Danach Kreis austauschbarer Arbeitnehmer bilden, die laut Arbeitsvertrag bzw. Arbeitsbeschreibung ähnliche Aufgabenbereiche haben.

2. Sozialauswahlkriterien gemäß § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG

  • Lebensalter des Mitarbeiters;
  • Dauer der Betriebszugehörigkeit;
  • Unterhaltspflichten;
  • Schwerbehinderung.

Anhand dieser vier gleichwertigen Kriterien empfliehlt es sich, eine Betriebsvereinbarung gemäß § 95 BetrVG mit dem Betriebsrat zu schließen, die die sozialen Gesichtspunkte im Verhältnis zueinander bewertet. Der Vorteil davon is, dass diese nur auf grobe Fehlerhaftigkeit vor dem Arbeitsgericht geprüft werden kann.

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 6.9.2007 – 2 AZR 387/06 die Punkte wie folgt gewichtet:

Kriterien Punkte
Alter des Arbeitnehmers 1 Punkt pro Lebensjahr
Betriebszugehörigkeit1 Punkt pro Jahr
Unterhaltspflichten Ehepartner 4 Punkte
Je unterhaltsberechtigtem Kind2 Punkte

Die darauffolgende Erstellung der Namensliste gemäß § 1 Abs. 5 KSchG kehrt für den Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast bzgl. der Betriebsbedingtheit der Kündigung um, was sehr vorteilhaft ist. Zudem kann auch hier die soziale Auswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit vor Gericht geprüft werden.

3. Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten

Kann der Arbeitnehmer innerbetrieblich weiterbeschäftigt werden? Versetzung in eine andere Abteilung oder wird ein Arbeitsplatz frei? Sollte dies nicht der Fall sein, ist dies für eine Kündigung vorteilhaft.

Fehlerhafte Sozialauswahl

In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass trotz größter Sorgfalt seitens des Arbeitgebers die Sozialauswahl fehlerhaft gewesen ist, was eine Unwirksamkeit der betriebsbedingten Kündigungen zur Folge hat. Diese Fehlerhaftigkeit entsteht beispielsweise dann, wenn die für die Sozialauswahl relevanten Kriterien nicht oder nur ungenügend beachtet wurden.

Häufige Fragen zur betriebsbedingten Kündigung und Sozialauswahl

Bei betriebsbedingten Kündigungen müssen Arbeitgeber bestimmte Regeln und Verfahren einhalten, um eine sozial gerechtfertigte Kündigung durchzuführen. Eine wichtige Regelung in diesem Zusammenhang ist die Sozialauswahl, die sicherstellen soll, dass die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fair behandelt werden.

Was ist eine betriebsbedingte Kündigung?

Eine betriebsbedingte Kündigung erfolgt aufgrund von betrieblichen Gründen, wie z.B. einer schlechten Auftragslage oder einer Umstrukturierung des Unternehmens. Der Arbeitgeber muss in diesem Fall nachweisen, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich ist und dass es keine andere Möglichkeit gibt, als das Arbeitsverhältnis zu beenden.

Was ist die Sozialauswahl?

Die Sozialauswahl ist ein Verfahren, bei dem der Arbeitgeber bestimmte Kriterien heranzieht, um zu entscheiden, welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Falle einer betriebsbedingten Kündigung entlassen werden sollen. Ziel ist es, eine sozial gerechte Auswahl zu treffen und die besonders schutzbedürftigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu berücksichtigen.

Welche Kriterien werden bei der Sozialauswahl berücksichtigt?

Bei der Sozialauswahl werden bestimmte Kriterien herangezogen, um die Auswahl der zu kündigenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu bestimmen. Diese Kriterien sind:

  • Lebensalter
  • Betriebszugehörigkeit
  • Unterhaltspflichten
  • Schwerbehinderung

Der Arbeitgeber muss diese Kriterien nach ihrer Gewichtung und Reihenfolge abwägen und in einer nachvollziehbaren Begründung dokumentieren.

Wie wird die Sozialauswahl durchgeführt?

Die Sozialauswahl erfolgt in mehreren Schritten. Zunächst werden alle vergleichbaren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ermittelt, die für eine Kündigung infrage kommen. Anschließend werden die Kriterien der Sozialauswahl auf die vergleichbaren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer angewendet, um diejenigen auszuwählen, die am wenigsten schutzbedürftig sind. Der Arbeitgeber muss hierbei eine bestimmte Reihenfolge der Kriterien einhalten und diese in einer nachvollziehbaren Begründung dokumentieren. Die Auswahl der zu kündigenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter muss durch den Betriebsrat mitbestimmt werden.

Welche Rolle spielt der Betriebsrat bei der Sozialauswahl?

Der Betriebsrat hat bei betriebsbedingten Kündigungen und bei der Sozialauswahl eine wichtige Mitbestimmungsrolle. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat frühzeitig informieren und anhören, bevor er eine betriebsbedingte Kündigung ausspricht. Der Betriebst hat dann die Möglichkeit, sich zum Kündigungsgrund und zur Sozialauswahl zu äußern.

Bei der Sozialauswahl hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht, um sicherzustellen, dass die Kriterien der Sozialauswahl korrekt angewendet werden. Der Betriebsrat kann auch Vorschläge zur Verbesserung der Sozialauswahl machen, um sicherzustellen, dass eine sozial gerechte Auswahl erfolgt.

Wenn der Betriebsrat der Meinung ist, dass die Sozialauswahl nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht, kann er gerichtliche Schritte gegen die Kündigung einleiten.


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